Die Steine sind weg
Nur der Fels nimmt ab. Ein Phänomen außerhalb jeglicher Naturgewalten. Ein seit Jahren bekanntes Problem, aber dennoch verschwiegen. Nur langsam formiert sich eine Gruppe ökologischer Aktivisten, um diesem Fortschreiten Einhalt zu gebieten. Ein brisantes Thema in der Tourismusbranche und aus Angst vor Einbußen im Ferienparadies bisher nicht publiziert. Dreihunderttausend Urlaubsgäste kommen jährlich auf diese Insel, die Dunkelziffer liegt weit höher. Sie kommen mit Wohnmobilen, Autos und Caravans, per Schiff oder per Bahn, mit dem Motorrad und sogar dem Fahrrad und ergießen sich über die Inselstrände. Menschen aller Schichten hier der Arbeiter dort der Handwerker und daneben der Gewerbetreibende, Soziologen, Pädagogen, Arbeitslose. Familien mit Kleinkindern, Senioren, Ledige und Anhangsuchende, sie alle erkunden mehr oder weniger die Natur diese Eilands. Mal die Seele baumeln lassen, Sport treiben oder bei Bier und Grillwurst das Leben genießen, wer hätte etwas dagegen. Am Strand zu stehen und den Blick in die Ferne schweifen lassen. Nur der Blick geht nicht übers Wasser, weit gefehlt, er geht auf den Boden. Dort entdecken viele plötzlich den Geologen, Paläontologen und den Schatzsucher in sich. So stehen sie da, bewaffnet mit Plastiktüten, Stoffbeuteln und Kinderspieleimern, groß und klein, alt und jung und durchsuchen die Küste.
Magmamite, Sedimente, Metamorphite, alles wird begutachtet, abgewägt und landet nicht selten in den Transporthilfen. Hier ein Gneis, dort ein Quarz, die Versteinerung eines Seeigels oder einer Schnecke das sind die Schätze, die jedes Jahr in Mengen auf diese Weise die Insel verlassen. Jahrzehntelang von der wogenden Kraft des Wassers glatt geschliffen, wandern sie handschmeichlerisch ins Binnenland.
Nehmen wir mal das Durchschnittsgewicht eines Steines mit fünfzig Gramm an, so kommt bei einer Ausbeute von zwanzig Exemplaren ein Kilo pro Person zusammen. Bei dreihunderttausend Besuchern sind das dann 300 Tonnen, also in den letzten fünfzig Jahren fünfzehntausend Tonnen. Soll ich noch weiter machen?
Dies sind natürlich nur Durchschnittswerte aber Extrembeispiele wie Hubert S. aus W., meinen Weg zur Garage habe ich komplett mit Kieseln von Fehmarn gepflastert, lassen weit aus Schlimmeres befürchten. Ist dann die Forderung der Ökoaktivisten, eine Zollstation an der Fehmarnsundbrücke einzurichten, übertrieben, oder verschließt die Tourismusbehörde die Augen vor einen Umweltdesaster. Wenn die ersten Camper mit einem LKW anreisen, könnte die Lage bedrohlich werden.
Das allmähliche Ansteigen des Meeresspiegels verlangt doch eher das Gegenteil.
Bringt Steine mit, wenn ihr in den Urlaub fahrt.